Interview mit Tom Klein über das Thema Coaching

Was ist ein Coach? / Wie arbeitet Tom Klein?

Alex Wunschel: Tom, was ist ein Coach?

Tom Klein: Es gibt so viele Coachingformen, wie es Themen und Menschen gibt. Da wären zum einen die Fachcoaches, die Wissen zu konkreten Fragen vermitteln. Das machen sie einzeln mit dem jeweiligen Teilnehmer, weil es vielleicht nur einen gibt, der sich für das entsprechende Thema interessiert, oder weil der Teilnehmer eine besondere Fragestellung hat, auf die sich der Coach dann hundertprozentig konzentrieren kann – anders als bei einem Training mit zehn Leuten. Darüber hinaus gibt es Verhaltenscoachings. In diesem Bereich sehe ich den Großteil meiner Kollegen. Sie coachen und trainieren beispielsweise Videoauftritt, Rhetorik oder Kommunikationsverhalten. Hier arbeitet man wieder individuell – denn es geht nicht um Wissensvermittlung im Allgemeinen, sondern darum, dass der Einzelne etwas lernt und daraufhin seine persönlichen Fähigkeiten verbessert.

Alex Wunschel: Verstehe, gibt es noch weitere Coachingformen?

Tom Klein: Ja, es gibt Coaches, zu denen zähle ich mich auch, die explorativ unterwegs sind. Ich kann Menschen zwar auch fachlich weiterbringen, aber mir geht es eher darum, gemeinsam mit dem Teilnehmer eine Reise mit offenem Ende zu durchlaufen.

Alex Wunschel: Was heißt das konkret?

Tom Klein: Der Teilnehmer kommt mit einem bestimmten Anliegen und ich diene ihm, indem ich zuhöre, spiegle, aktiviere, provoziere und so weiter. Ich versuche, ihn in seinem Prozess anzuleiten und innerhalb der Leitplanken zu halten, damit er für sich Erkenntnisse gewinnen kann. Mehr als um das Thema, geht es um die persönliche Interaktion und die Qualität des Rapports zwischen dem Teilnehmer und mir.

Alex Wunschel: Spielt die fachliche Kompetenz hier keine Rolle?

Tom Klein: Ein guter Coach in diesem Bereich zu sein, heißt natürlich auch, fachlich kompetent zu sein, aber die fachliche Kompetenz ist lediglich die Grundvoraussetzung. Wenn sie nicht vorhanden ist, kann man das Coaching nicht durchführen. Die Wirkung des Coachings kommt aber über den Rapport und über den Explorationsprozess, weniger über die Themen an sich.

Alex Wunschel: Das ist auch eine Gefahr, oder?

Tom Klein: Was ich tue, passiert aus dem Geschehen heraus. Das heißt, ich benötige immer auch Zeit, um nachzudenken und Bilder und Ideen entstehen zu lassen – ganz intuitiv. Diese Gedanken fließen mit ein, wenn ich den Teilnehmer spiegle; und er spiegelt wiederum mich, indem er eine bestimmte Reaktion zeigt. Ich sehe also, was passiert, und dann arbeiten wir weiter. Aber es ist kein Plan, den ich strukturiert abarbeite – vielmehr eine Interaktion mit Wechselwirkungen, die ich nicht kontrollieren kann. Ich begebe mich in diesen freien Fall mit der anderen Person, durchaus mit Ideen, Strukturen und Fähigkeiten im Hintergrund, damit es gut wird. Aber ich habe keine Ahnung, wo es hingeht. Und damit fühle ich mich wohl.

Alex Wunschel: Welche Menschen kommen zu dir?

Tom Klein: Das können höher gestellte Führungskräfte sein. Das können Menschen sein, die zu mir ein Vertrauen entwickelt haben und bestimmte Fragestellungen mit mir explorieren möchten. Es geht weniger um bestimmte Themen als vielmehr um die Frage: Können wir im gemeinsamen Austausch etwas entdecken, was dem Suchenden weiterhilft.

Alex Wunschel: Bist du Problemlöser? Kann man dich als Problemlöser buchen?

Tom Klein: Gute Frage. Ich glaube, man könnte es so darstellen, aber ich erlebe mich eher als Begleiter für Prozesse. Wir leben immer mehr in einer Flow-Gesellschaft. Viele Dinge lassen sich nicht mehr über logische Abfolgen oder technische Analysen regeln, wichtige Fragen zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus – die Antworten sind unvorhersehbar und vielschichtig. Um ihnen näher zu kommen, helfen Coaches, die bei der Exploration begleiten und überraschende Erkenntnisse befördern.

Alex Wunschel: Du hast den Explorationsbegriff schon ein paar Mal erwähnt – könntest du ihn etwas näher beschreiben? Was macht den Prozess des Explorierens aus?

Tom Klein: Explorieren müssen wir, wenn wir nicht wissen, wo die Reise hingeht. Wir haben ein Thema, ein Anliegen, und weder mein Gegenüber noch ich kennen die Antwort. Also stellen wir einen kontextuellen Rahmen her, in dem das Thema Raum bekommt. Ich stelle spannende Fragen und beobachte, wie der andere darauf reagiert, unabhängig von den Antworten an sich. Ich versuche hinzuschauen, was da passiert und spiegle das. Ich sage dann etwa: „Ach, spannend, hast du gemerkt, dass gerade dieses oder jenes passiert ist?“ Wenn die Person das verneint, rate ich ihr, die Aufmerksamkeit darauf zu richten. Wir erforschen gemeinsam unbekanntes Terrain. Das ist spannend, denn sowohl ich als auch der Teilnehmer wissen nicht, was dabei herauskommt.

Alex Wunsche: Du versuchst also, die verborgenen Themen einer Person aufzudecken?

Tom Klein: Genau. Wenn sie rational greifen könnte, was ihr Thema ist, bräuchte sie ja keinen Coach. Das gilt sowohl für die Exploration der Psyche als auch der Körperlichkeit – der Körper ist schließlich ein Spiegel unseres Unterbewusstseins. Eine Organisation kennt sich auch nicht selbst. Für sie ist es spannend herauszufinden, was sie weiß, wie sie funktioniert, wo sie sich verkrampft, wo sie befreit ist. Auf dieser Basis kann man Dinge gestalten, Maßnahmen ergreifen und Probleme lösen. Die Problemlösung selbst ist aber nur ein „Abfallprodukt“ dieses Prozesses. Würde man das Problem direkt ansteuern und durchdenken, wäre es eine klassische Analyse, und damit nicht mein Weg.

Alex Wunschel: Wünschst du dir eine Zeit, in der es einen Tom Klein nicht mehr braucht?

Tom Klein: Das wird nie der Fall sein. Nicht weil es um mich persönlich geht, sondern weil wir als soziale Wesen verschiedene Prozesse nicht alleine meistern können. Betrachten wir das Thema „Automatisierung“. Viele Menschen sehen ihre Jobs bedroht, weil ihre Firmen auf leistungsfähigere Algorithmen setzen. Ich unterstütze meine Kunden, große Bereiche zu automatisieren, weil sie nicht mehr die nötigen Experten finden. Ihnen fehlen Programmierer, Marketingfachleute, alle möglichen Wissensträger. Sie müssen automatisieren, sonst kriegen sie die Fülle der Arbeit nicht geregelt. Was aber nicht automatisierbar ist, ist der Austausch miteinander.

Alex Wunschel: Warum nicht?

Tom Klein: Man kann sich nur im Spiegel eines anderen kennenlernen, denn man existiert nicht für sich allein, sondern immer als Teil einer Interaktion. Wenn ich einen guten Spiegel habe, einen wohlwollenden, offenen Menschen, dann entdecke ich durch den Austausch Dinge, die mir alleine verborgen blieben. Wenn wir erkennen, wie untrennbar wir miteinander verwoben sind, mit unseren Kontexten und Beziehungen, dann verstehen wir, dass genau das nicht ersetzbar oder automatisierbar ist. Das ist das Wesen des Lebens. Demgemäß wird es immer Menschen brauchen, die uns privat oder professionell unterstützen. Das definiert auch die Rolle der modernen Führungskraft, die fähig sein sollte, ständig zu explorieren, was aktuell ist und möglich sein könnte.

Alex Wunschel: Tom, danke für das Gespräch!

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