Die Heldenreise des neuen Managers

Licht und Dunkelheit.

Die Welt ist kaum noch zu verstehen. Eine Krise löst die nächste ab, Annahmen darüber, welche Werte und Handlungen wir als „normal“ empfinden und welche nicht, erweisen sich als haltlos. Meinungsverschiedenheiten werden nicht mehr auf der Grundlage allgemeingültiger Normen ausgetragen. Für einige Akteure sind die Normen zu eng geworden – sie wollen ihre Meinungen durchsetzen, indem sie die Normen, die unsere Gesellschaft friedlich und erfolgreich gemacht haben, attackieren.

Die Auseinandersetzungen unserer Zeit verlaufen nicht mehr in den bekannten Mustern von links und rechts, sondern im Tauziehen zwischen Ordnung und Unordnung. Die einen verschaffen sich Raum, indem sie wagen, das Undenkbare zu denken und das Bestehende zu zerstören. Die anderen verteidigen eine immer kraftlosere alte Ordnung, an deren Fortbestand sie gleichzeitig zweifeln.

Die Entscheidung.

In den Sagen unserer Mythologie bringen solche Zeiten Helden hervor, die eine neue Ordnung aus der Dunkelheit der Unordnung herstellen. An Helden glauben wir zwar nicht mehr, dafür schauen wir zu den Medienpersönlichkeiten und Wirtschaftslenkern auf, die in die Rolle der Helden geschlüpft sind, um an deren Macht und Einfluss teilzuhaben.

Es stellt sich für uns die Frage, nach welchen Werten unsere modernen Helden die Ordnung herstellen und verteidigen werden.

Wir stehen zunehmend vor der Wahl, uns autoritär oder evolutionär neu zu erfinden. Die erste der beiden Optionen ist zwar verlockend, besonders für diejenigen, die an einfache Lösungen glauben. Aber unsere Welt ist so komplex geworden, dass einfache Lösungen keine Zukunft haben, denn sie stürzen uns von einem Chaos in das nächste.

Die zweite Option bietet uns bessere Erfolgsaussichten. Allerdings muss sich die offene Gesellschaft aus alten Mustern herausbewegen und zu einem neuen Selbstverständnis finden. Unsere Welt ist volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig – sie verlangt von uns eine Strategie, die diesen Umständen gewachsen ist.

Der Weg.

Wo der überkommene Führer versucht, mit Macht über seine Mitmenschen hinweg zu bestimmen, hört der Meister der Komplexität den Menschen zu. Er öffnet sich dem Neuen, gerade dann, wenn er nicht versteht, was es bedeutet. Denn im Zuhören zeigen sich ihm die Aufmerksamkeits- und Verhaltensmuster der Mitmenschen, die es ihm ermöglichen, sie zu verstehen.

In einer Welt, die so groß und komplex wie die unsere geworden ist, reicht es aber nicht mehr, nur persönlich zuzuhören. Auch deshalb kann es den klassischen Helden nicht mehr geben. Wir müssen das Zuhören skalieren, um die Geschichten von tausenden Menschen sammeln zu können, und um übergreifende Muster in ihren Erfahrungen und Bedeutungsgebungen zu erkennen.

Der moderne Held ist weniger Krieger als Augur. Er schaut in die Datensätze der Geschichten, die er sammelt und leitet die Einsichten ab, die ihn handlungsfähig machen. Er maßt sich auch nicht die Rolle des Strategen an, denn er weiß, dass er nichts von der Welt, in der er lebt, vorhersagen kann. Stattdessen betätigt er sich als Entdecker, der das Neue erforscht und bereit ist, überrascht zu sein.

Die Prüfung.

Nicht jeder ist in der Lage, dem Zusammenbruch alter Gewissheiten mit Neugier zu begegnen. Angst und Unsicherheit entfalten eine zerstörerische Wirkung. Wer nicht weiß, wo die Reise hingeht, kann am Sinn der Reise zweifeln, und wird für die falschen Versprechen der Rattenfänger anfällig.

Ob wir uns in den Medien betätigen, als Berater dienen oder selbst Unternehmer sind – wir sind aufgefordert, die Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit des Geschehens auszuhalten, um uns nicht selbst ins Chaos zu stürzen oder gar zum Chaos beizutragen.

Zeiten des Wandels sind auch Zeiten der Möglichkeiten. Diese Chancen erkennen und nutzen wir aber nur dann, wenn wir selbst stabil sind. Wer es schafft, bei sich zu bleiben, während um ihn herum die Welt verrückt zu werden scheint, wird zum Vorbild, der durch die Art seines „Seins-in-der-Welt“ eine erstaunliche Wirkung entfaltet.

Der Erfolg.

Das Handwerkszeug des modernen Erfolgs steht dem neuen Manager schon zur Verfügung. Wenn er es anwendet, kann er dem populistischen Chaos den Rücken kehren und sich der Entdeckung und Gestaltung der neuen Welt widmen.

Agile Arbeitsmethoden und die Ausrichtung der Wertschöpfungsarbeit einer Firma an der Kundenerfahrung geben fast jedem Unternehmen eine Daseinsberechtigung, denn sie tragen zur Verbesserung des Lebens bei, statt es auszubeuten und zu zerstören.

Vorbildliche Medienpersönlichkeiten können durch eine sinnstiftende Wirkung den Medienkonsumenten Orientierung bieten. Dem Publikum wird so geholfen, das Drama unserer Medienwelt hinter sich zu lassen – statt von aufmerksamkeitsheischenden Thesen überflutet zu werden.

Berater und Coaches haben die Aufgabe, in einer unsicheren Welt Halt zu geben und persönliche sowie intellektuelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Ihre Klienten werden in die Lage versetzt, wichtige Herausforderungen zu meistern – ohne das Gefühl zu haben, in etwas zu investieren, das sie in der alten Welt zurückbleiben lässt.

Die Erkenntnis.

Auf die Werte hinter unserem Handeln kommt es an. In einer Zeit, in der uralte Erkenntnisse, was uns Menschen erfolgreich und glücklich macht, unter Beschuss stehen, braucht es keine neuen Werte. Vielmehr geht es darum, die Kraft der alten Werte im heutigen Kontext neu zu entdecken. Die Erkenntnis, dass Liebe, Vertrauen, Gemeinschaft, Wertschätzung und ein Glaube an den Menschen, in seine Verletzlichkeit und Entwicklungsfähigkeit uns besser dienen als Hass, Gier, Narzissmus und Überheblichkeit bedarf keiner Erleuchtung. Es bedarf nur der Intelligenz und den Mut, die Erkenntnis über unser Tun umzusetzen.

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